Auf dem Weg vom Tallinner Wasserflugzeughafen zurück in die Altstadt, fällt unser Blick auf einen mächtigen Gebäudekomplex, der in einem ziemlich desolatem Zustand erscheint. Es ist Patarei. Wir beschließen, uns das Gemäuer etwas näher anzusehen.
Patarei
1828 gab Nikolai I den Auftrag die Festung Patarei zu errichten. In der Regel waren hier 2000 Soldaten stationiert. Mit der Unabhängigkeit Estlands 1918 wurde Pararei das zentrale Stadtgefängnis von Tallinn. Später nutzten die Nazis Patarei als Arbeits- und Konzentrationslager.
1943 erschossen sie hier im Hof 200 estnische Juden. 1945 wurde das Gelände sowjetisches Militärgefängnis. Ab 1991 war es wieder estnisches Staatsgefängnis, bevor es 2002 endgültig geschlossen wurde.
Bereits unter den Nazis wurden bis zu 4500 Gefangene hier eingepfercht. Unter den Sowjets waren es bis zu 5000. Die Zellen waren für 6 bis 8 Gefangene ausgelegt, teilweise waren aber darin bis zu 20 untergebracht.
Das makaberste Kapitel erlebte Patarei während der Olympischen Sommerspiele 1980. In der Bucht vor dem Gefängnis fanden die olympischen Segelwettbewerbe statt. Damit die Gefangen nicht mit den Sportlern in irgendeiner Form kommunizieren konnten wurden die Fenster zum Meer hin zugemauert oder mit Stahlplatten verschlossen.
Nach den olympischen Spielen ließ man diesen Sichtschutz einfach bestehen. Seit diesem Zeitpunkt verbrachten die Gefangenen in diesen Zellen die Zeit in Dunkelheit.
Unsere Neugierde ist nun geweckt und wir wollen „das Museum“ besuchen. Nach dem Entrichten eines geringen Eintrittspreises darf man sich im Gebäude frei bewegen. Uns fällt rechts vom Eingang eine Tür auf, aus der Besucher kommen. Wir beschließen hier unsere Rundgang zu beginnen.
Durch einen schmalen Gang mit Lüftungs- oder Heizungsrohren erreichen wir einen kleinen Raum, in dem sich eine Grube in der Mitte befindet. Es war der Hinrichtungsraum, in dem Gefangene gehängt wurden. Die Grube war die Fallgrube.
Es beschleicht uns ein schauriges Gefühl, als wir uns überlegen, dass dieser Raum für manche Gefangene der letzte Anblick auf diesem Planeten war.
Während die Sowjets hier herrschten, verbrachten die Gefangenen nur die ersten Wochen oder Monate ihrer Gefangenschaft hier, bevor sie in sibirischen Gulags verschwanden.
Wir gehen rasch weiter in den Haupttrakt. Alles sieht so aus, wie das Gebäude (fast fluchtartig) verlassen wurde. Es wird nichts restauriert, sondern alles ist der Verwitterung preisgegeben. Dennoch wirken die Räumlichkeiten noch sehr lebendig.
Vor allem die Krankenstation. Geräte Möbel und Listen stehen und liegen herum, wie sie von den Mitarbeitern zurückgelassen wurden.
Nur in den oberen Geschossen haben einige Künstler Malereien an den Wänden mit Genehmigung der Eigentümer angebracht. Interessant finden wir, dass selbst der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf Eingang in die Graffiti gefunden hat.
Wir besichtigen auch noch den Innenhof, wo die Gefangenen einmal die Woche in käfigartigen Verschlägen frische Luft atmen durften.
Mit beklemmenden Gefühlen verlassen wir diesen Ort wieder, der uns zutiefst berührt hat. Man hat das Gefühl die Qualen der Gefangen selbst zu spüren.
Nach einem kurzen Aufenthalt an der Strandbar gehen wir an der Linnahall vorbei zurück zur Altstadt.
Tallinner Stadtmauer – Revaler Stadtbefestigung
Beim Kanonenturm „Dicke Margarethe“ erreichen wir die Tallinner Stadtmauer. Hier ist der Hauptsitz des Estnischen Seefahrtmuseum untergebracht, dessen Außenstelle im Lennusadam untergebracht ist.
Auf dem Dach des Turms befindet sich ein Café mit schöner Terrasse und Aussicht auf die Altstadt.
Den Befehl zum Aufbau der Stadtbefestigung erteilte 1265 die dänische Königin Margarethe. Der Ausbau der 2,35 km langen Stadtmauer zog sich über 300 Jahre hin. Sie verfügte über 40 Türme, manche sprechen von 60 Türmen, war bis zu 16 m hoch und bis zu drei Meter dick.
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Reval, wie Tallinn damals hieß, gehörte zu den am besten befestigten Städten der Ostsee. Konflikte gab es vor allem zwischen Dänemark und der deutschen Hanse, bzw. dem Deutschen Orden, der Mitglied in der Hanse war.
Die offene Struktur der Hanse wird zwar oft gelobt, dennoch führte das Fehlen einer eindeutigen Struktur zum Mangel an Innovationen und Reformen.
Auch die Vernachlässigung neuer Konkurrenten führte dazu, dass die Hanse Ende des 17. Jahrhunderts in der Bedeutungslosigkeit versank.
Wir gehen die Laboratooriumi und Kooli Straße, nach einem kurzen Umweg in den Toompark, zurück.
Bitte lesen Sie weiter > Altstadt von Tallinn und Schloss Katharinental
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